Mit Leidenschaft für das Süße

In Zgorzelec hat eine Schokoladenmanufaktur samt Chocolaterie eröffnet.

Von Agnieszka Bormann
Die putzlosen Ziegelsteinwände und die reduzierte Beleuchtung tauchen den Raum in eine orangefarbene, warme Stimmung. An diesem kalten Abend weiß man das besonders zu schätzen. Eine wohlriechende Wolke aus süßen Düften begrüßt den Besucher schon an der Schwelle. Es riecht nach frisch gemahlenem Kaffee, Gewürzen, Kakao. Hinter der Bar steht Aleksander Pitura (36), ein Neuling im Gastronomie-Geschäft, und versucht, seine fröhliche Aufgeregtheit in den Griff zu bekommen. „Das ist unser erstes Lokal, wir haben vorher noch nie Kunden bedient, deswegen haben wir noch etwas Lampenfieber“, sagt er und hört mit dem Grinsen nicht auf. Das Lokal mit dem Namen „Royal Berry – Pijalnia Czekolady“ ist das erste Café mit echter Trinkschokolade im polnischen Zgorzelec. Es befindet sich in der Warszawska-Straße 15, wo auch die andere Firma von Pitura, das Infoportal zgorzelec.info, ihren Sitz hat.

Die Konditorei ist ein gemeinsames Unternehmen von Pitura und seiner Partnerin Justyna Jonczyk (31). Sie wohnen in Koscielna Wies, etwa 40 Kilometer nordöstlich von Zgorzelec entfernt, Richtung Zagan (Sagan). In einem Teil ihres großen Hauses haben sie vor einigen Monaten eine Schokoladenmanufaktur gegründet. Hier entstehen Schokoladentafeln, die auch in ihrem Lokal verkauft werden. Der Produktion der handgemachten Schokolade sind viele Experimente vorausgegangen. „Die Manufaktur war eine Zeit lang ein richtiges Labor. Um beispielsweise die optimale Milchschokolade mit ganzen Nüssen herzustellen, haben wir sechs Sorten Haselnüsse geröstet und in 20 unterschiedlichen Röststärken, mit der Schokolade vermischt, getestet“, erklärt Justyna. Die Ergebnisse der Experimente wurden dann regelmäßig unter die Leute gebracht. Auf diese Art und Weise hat sich um die Manufaktur bereits ein fester Kreis begeisterter Stammkunden gebildet.

Drei Euro für die Schokotasse

Im Angebot der Konditorei gibt es neben der Trinkschokolade auch Kaffee, Tee und andere Getränke, darüber hinaus unterschiedliche Sorten hausgemachter Kuchen und Desserts. „Es gibt ja in Zgorzelec und Görlitz so viele gute Kneipen, wo man auf ein Bier gehen kann. Deswegen gibt es bei uns bis auf Wein keinen Alkohol. Hochprozentiges haben wir nur als Zugabe zum Kaffee oder Tee. Unser Lokal hat ein klares Profil und ist ein Ort, wo man sich ein bisschen Luxus gönnt.“ Das spiegelt sich auch in den Preisen wieder: ein Glas Trinkschokolade kostet elf Zloty (knappe drei Euro), eine Tafel handgemachte Schokolade 25 Zloty (circa sechs Euro). Bislang hat sich jede Partie Schokoladentafeln im Nu verkauft. In einem Arbeitsgang werden etwa 50 Stück hergestellt. Die Produktion hinkte anfangs der Nachfrage hinterher, besonders seit dem Start des Online-Verkaufs, nun hat sich die Situation stabilisiert.

Nein, sie haben nicht nach einer neuen Geschäftsidee gesucht. Das hat sich so ergeben. Gefragt nach dem Ursprung des Vorhabens, erzählen Justyna und Aleksander stattdessen einiges aus der Geschichte ihrer Beziehung und über die gemeinsame Leidenschaft für Süßigkeiten. Nicht nur beim Konsumieren, sondern auch beim Herstellen. Sie liebten es schon immer, unterschiedliche Kuchen-, Konfektund Dessertrezepte auszuprobieren. Natürlich konnten sie das alles nicht alleine aufessen und so haben auch die Nachbarn, Bekannte und Freunde von ihren Künsten profitiert. Dank dem verlässlichen Buschfunk erweiterte sich der Kreis kontinuierlich, bis es irgendwann kein Dorffest in der Nähe ohne ihre Produkte gab. „Diese positiven Rückmeldungen haben uns auf den Gedanken gebracht, dies zu professionalisieren“, erinnert sich Pitura. Als erstes hat das Paar parallel zu ihren Experimenten mehrere Lehrstunden bei diversen Schokoladenherstellungsworkshops in ganz Polen absolviert. Dann haben sie sich auf dem Markt umgeschaut, unterschiedliche Sorten von Schokoladengrundmasse ausprobiert und sich für die belgische Schokolade als Ausgangsmaterial sowohl für Tafelals auch Trinkschokolade entschieden. „Unser Kunde bekommt im Café zuerst das Basisprodukt und kann schauen, ob es ihm zu süß, zu bitter, zu stark und so weiter ist. Wir helfen ihm, seine eigene Geschmacksrichtung selbst zu kreieren, und wenn er die ideale gefunden hat, können wir das in unserer Datenbank speichern und beim nächsten Besuch bekommt er genau diesen Geschmack serviert.“ Die Ideen und individuellen Bestellungen der Kunden haben Justyna und Aleksander bereits zu vielen neuen Geschmackskreationen der harten Schokolade geführt, auf die sie selbst nicht gekommen wären.

Infoportal auch für Firmen

Pitura könnte stundenlang von Schokolade erzählen und es hört sich wie eine Liebeserklärung an. „Schokolade ist wie Wein. Man soll sie langsam und in kleinen Mengen genießen, sich auf der Zunge zergehen lassen, mit allen Sinnen den Geschmack einfangen. Und aufhören, wenn es am Schönsten ist“. Doch die Schwärmerei allein würde nicht reichen, um ein Unternehmen zu gründen und zu führen. Pitura ist ein erfahrener Geschäftsmann. Seit 2003 führt er erfolgreich das Infoportal zgorzelec.info, zu dem im Lauf der Jahre auch ein Reisebüro gekommen ist. Zgorzelec.info ist überdies eine Präsentationsplattform für Firmen aus Zgorzelec und Umgebung.

Pituras Arbeitsschwerpunkt sind dabei die Beratung der Firmen in puncto Markenaufbau und pflege sowie Schulungen zu diesen Fragen. Was er bei anderen geübt hat, kann er jetzt in seinem neuen Geschäft anwenden. Doch diese Erfahrung war ihm noch zu wenig. Er wollte von Anfang an von den Besten in der Branche lernen. Deswegen ist er im Januar zur „SIGEP“, der größten internationalen Fachmesse für Eishandwerk, Konditorei, Backwaren und Kaffee nach Rimini in Italien gefahren, um sich auf Weltniveau inspirieren zu lassen.

International ist auch ein wichtiges Stichwort. „Wir möchten von Anfang an auch die Menschen in Görlitz und Touristen ansprechen, deswegen wird das Menü demnächst in drei Fremdsprachen verfügbar sein: Deutsch, Tschechisch und Englisch. Die endgültigen Öffnungszeiten müssen wir noch festlegen. Wir starten mit ziemlich langen Zeiten und beobachten mindestens ein Jahr lang die Nachfrage und wie sich die Besucherströme gestalten.“ Um die Marke „Royal Berry“ ins Gespräch zu bringen, sind auch ThemenAbende, Schokoladen-Workshops oder andere Mitmachaktionen in dem Café geplant. Ideen hat das Paar mehr als genug. Aber erst mal möchten sie sanft starten.

royalberry.pl